Geschäftsmodell der Versicherungsbroker in der beruflichen Vorsorge in Gefahr
Mit Blick auf die Studie “The Future of Insurance: Stay ahead – tackle your top challenges of the next five years” stellt Marco Balzarini von Zühlke fest: In der Schweiz steht das Geschäftsmodell der Versicherungsbroker namentlich in der einträglichen beruflichen Vorsorge politisch unter Druck. In der «Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung - Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge» äussert sich der Bundesrat glasklar: «Entschädigungen an den Versicherungsvermittler, die aus dem Vorsorgevermögen bezahlt werden, sind nicht im Interesse der Versicherten und deshalb mit dem Vorsorgeziel nicht vereinbar.» Die Branche sollte das politische Damoklesschwert über ihr zum Anlass nehmen, das eigene Geschäftsmodell grundsätzlich zu überdenken. Denn nicht nur aus dem Bundeshaus droht Gefahr für das herkömmliche Brokersystem. Auch die Digitalisierung wälzt das Gewerbe um.
Es braucht eine informationstechnologische Aufrüstung
Heute gibt es im Schweizer Versicherungsbrokergewerbe nach wie vor viele Kleinbetriebe mit einer beschränkten Zahl von Angestellten. Diese stehen vor grossen Herausforderungen. Denn wer heute die Kundenbedürfnisse voll befriedigen will, braucht eine leistungsfähige informationstechnologische Infrastruktur. Nur so lassen sich beispielsweise im Pensionskassengeschäft die stetigen Mutationen bei den Kunden professionell verwalten. Wer versucht, dies nach wie vor per Mail oder Telefon zu erledigen, wird nicht in der Lage sein, einen kosteneffizienten, zeitgemässen Service anzubieten. Die Investitionen für die entsprechende informationstechnologische Aufrüstung gehen ins Geld. Nur ertragreiche Versicherungsbroker können bei der für die Zukunft erforderlichen Digitalisierung mithalten.
Zukunftssicherer Ausweg für die Kleinbetriebe: Hochkarätige Honorarberatung
Wer klein bleiben will, muss die Flinte nicht ins Korn werfen. Selbst wenn die Versicherungsvermittlung zusehends automatisiert wird, verfügen die langjährigen Versicherungsbroker noch immer über ein einzigartiges Wissen im Risikomanagement: Sie kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden und wissen, dass ein Startup mit einer Handvoll junger Mitarbeitender ein ganz anderes Bündel an Versicherungen – auch über die berufliche Vorsorge hinaus – benötigt, als ein Handwerker mit vorwiegend älteren Angestellten. Versicherungsbroker tun jedoch gut daran, hier auf die politisch stark in die Kritik geratenen Courtagenkommissionen in der beruflichen Vorsorge zu verzichten. Stattdessen sollten sie Honorare auf Stundenbasis verlangen. Schliesslich sind sie künftig kaum noch reine Vermittler: Sie müssen zu digital aufgerüsteten Risikoberatern heranwachsen, die den Kunden echten Mehrwert bieten.
Michael John, wie geht es der IG B2B for Insurers and Brokers?
Michael John: Sehr gut. Der Verein hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt und mit der BrokerInitiative 2018 haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht: die flächendeckende Digitalisierung der wichtigsten Prozesse im Brokermarkt.
Von was sind die Versicherungsbroker neben der Digitalisierung derzeit am meisten herausgefordert?
Michael John: Die Versicherungswelt verändert sich rasant. Dies ist eine grosse Herausforderung für alle Broker. Diese Veränderungen bieten aber enorme Chancen, die Kunden noch umfassender zu betreuen und sich besser in das Kerngeschäft der Kunden zu integrieren. Viele heute zeitintensive Aufgaben wie die Portefeuilleadministration oder die Offertausschreibungen werden mehr und mehr von Maschinen übernommen. Die Wertschöpfung muss also künftig hauptsächlich in anderen Bereichen erfolgen. Broker werden in Zukunft viel mehr zu Beratern in Fragen rund um das Thema Risiko. Die heute vorherrschende Art der Versicherungsberatung wird nur noch ein Aspekt der künftigen Brokertätigkeit sein.
Weshalb läuft die Digitalisierung so harzig?
Michael John: Die Digitalisierung ist abhängig von verschiedenen Rahmenbedingungen, welche nicht von einem Tag auf den anderen geschaffen werden können. Es braucht namentlich drei Voraussetzungen: Erstens: Die Versicherer müssen ihre Daten dem Markt digital zur Verfügung stellen können. Zweitens: Die Brokersoftwarehersteller müssen ihre Software fit machen für die automatisierte Prozessabwicklung. Drittens: Die Broker müssen ihre internen Prozesse und Dienstleistungen anpassen und sich mit den entsprechenden Technologien ausrüsten. Dies alles braucht seine Zeit. Nur schon die Projektplanungszyklen sowie die Projektumsetzungszyklen bei Versicherern und Brokersoftwareherstellern dauern teilweise Jahre. Wir sind froh, dass sich nun alle Marktteilnehmer im Zuge der BrokerInitiative 2018 vorwärtsbewegen. Wer sich rechtzeitig mit all den Themen rund um die Digitalisierung auseinandersetzt, hat genügend Zeit, sich für die Zukunft fit zu machen.
Was bringt denn die BrokerInitiative 2018 im Besonderen?
Michael John: Die IG B2B strebt an, mit der BrokerInitiative 2018 die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte im Markt aufeinander abzustimmen, damit die Marktteilnehmer möglichst bald von den Vorteilen der automatisierten Zusammenarbeit profitieren können. Allerdings braucht das seine Zeit: Bis auch der letzte Versicherer digital mit den Brokern zusammenarbeiten kann, werden sicher noch ein paar Jahre vergehen. Wir sind allerdings dankbar, dass die grossen Versicherer im Unternehmensgeschäft die Digitalisierung der Kernprozesse nun umsetzen. Sie schaffen damit eine gute Grundlage für die Entwicklung von innovativen Lösungen.
Welches sind die Spezifikationen des mit der BrokerInitiative 2018 verbundenen DXP(Data Exchange Proxy)-Service: Was müssen die einzelnen Broker tun, damit das bei ihnen läuft?
Michael John: Es braucht zwei Dinge, um als Broker digital arbeiten zu können: Erstens: Eine Brokersoftware, die an den DXP(Data Exchange Proxy)-Service der IG B2B angeschlossen und somit in der Lage ist, die digitalen Kernprozesse zu verarbeiten. Zweitens: Bereit sein, die zehn Kernprozesse Kommunikation und Information, Vertragserstellung, Provisionierung, Mandatswesen, Schaden, Offerten, Rechnungen und Mahnungen, Schadenrendement, Vertragsverwaltung sowie Vertragsregulierung an die neuen digitalen Möglichkeiten anzupassen. Das ist in vielen Unternehmen ein längerfristiger Prozess. Aus diesem Grund lohnt es sich für jeden Broker, möglichst früh einzusteigen, um ein entsprechendes Technologieverständnis aufzubauen und entsprechende Opportunitäten für das eigene Geschäft durch die Digitalisierung rechtzeitig zu erkennen. Sicher ist: In den nächsten Jahren werden digitale Lösungen entstehen, die ein grosses Potenzial haben.
Eine ganz andere Frage im Zusammenhang mit der Digitalisierung: Wie beurteilen Sie die Zukunftschancen von digitalen Versicherungsmarktplätzen wie Simpego, wefox, anivo?
Michael John: Ich denke, einige der digitalen Versicherungsmarktplätze werden sich einen Platz in der Versicherungslandschaft erobern. Generell gehe ich davon aus, dass es in den nächsten Jahren durch die Spezialisierung zu einer viel grösseren Bandbreite von Geschäftsmodellen kommen wird. Im künftigen Versicherungsökosystem werden sich die Anbieter vielfach nur noch auf wenige Kernkompetenzen konzentrieren. Durch die digitale Verknüpfung dieser Lösungen werden die Angebote für den Kunden massgeschneidert und auf qualitativ sehr hohem Niveau in den Markt gestellt werden können. Gleichzeitig lässt sich durch diese Spezialisierung auch die eigene Wertschöpfung verbessern.
Was macht die IG B2B in diesem Bereich?
Michael John: Die IG B2B baut bereits an Plattformen, über die sich Broker, Versicherer und Dienstleister miteinander verknüpfen. Gemeinsam werden damit für sich selbst, aber vor allem auch für die Kunden Mehrwerte geschaffen.
Ist die Digitalisierung des Brokergeschäfts irreversibel?
Michael John: Ja, es ist nicht mehr die Frage, ob das Brokergeschäft digitalisiert werden wird oder nicht. Es geht nur noch darum, in welcher Zeit dies geschieht. Ich sehe für die aktuellen Marktteilnehmer enorme Chancen in dieser unaufhaltsamen Entwicklung. Es ist daher für alle ein Muss, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, auch wenn dies zu Beginn schwierig erscheinen mag. Wer schlussendlich durch das «Tal der Tränen» gegangen ist, wird bereit sein, um in der neuen digitalisierten Welt eine reiche Ernte einfahren zu können.
Was gibt es den Versicherungsbrokern vom Präsidenten der IG B2B sonst noch Dringendes zu sagen?
Die zentrale Aufgabe der IG B2B besteht darin, in der neuen digitalisierten Welt eine Heimat zu schaffen für grosse, mittlere und kleine Broker und gleichzeitig die partnerschaftliche, digitale Zusammenarbeit mit den Versicherern sicherzustellen. Unterstützen Sie uns, indem Sie mit den neuen Technologien zu arbeiten beginnen und Ihre Absichten zur Digitalisierung im Rahmen der BrokerInitiative 2018 öffentlich machen. Wenn es noch nicht geschehen ist: Registrieren Sie sich für die BrokerInitiative. Herzlichen Dank.
Auszug aus der Medieninformation vom 1. Oktober 2019: «Die IG B2B for Insurers + Brokers entwickelt und betreibt die Onlineplattform ‘EcoHub’, welche allen Teilnehmern der Schweizer Versicherungsbranche den Zugang zu Online-Services von unabhängigen Drittanbietern ermöglichen wird. Die grundlegenden Funktionen der Plattform werden bereits bis Mitte 2020 zur Verfügung stehen.»
Ziel der Onlineplattform «Eco Hub»
Die von der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers entwickelte und betriebene Onlineplattform «EcoHub» wird allen Teilnehmern der Schweizer Versicherungsbranche den Zugang zu Online-Services von unabhängigen Drittanbietern ermöglichen. Aufbauend auf der Idee einer offenen Community entsteht damit ein digitaler Marktplatz für die Vorsorge-, Versicherungs- und Brokerindustrie. Mittels Zertifizierung wird die IG B2B sicherstellen, dass die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen aller Angebote garantiert sind. Die IG B2B wird auf der neuen Plattform die Rolle der Moderatorin übernehmen und die Inhalte der Plattform gemeinsam mit ihrer Community gestalten.
Kernprozesse des Versicherungsbrokergeschäfts sind bereits digitalisiert
Die derzeit von der IG B2B betriebene Plattform «BrokerGate» ermöglicht den Versicherungsbrokern bereits heute den Zugriff auf die Brokerportale verschiedener Versicherer. Grundlage der einheitlichen digitalen Prozesse ist im Rahmen dieser Plattform die Digitalisierung der im Versicherungsbrokergeschäft entscheidenden zehn Kernprozesse: Kommunikation und Information, Vertragserstellung, Provisionierung, Mandatswesen, Schaden, Offerten, Rechnungen und Mahnungen, Schadenrendement, Vertragsverwaltung sowie Vertragsregulierung. Die IG B2B hat für deren automatisierte Nutzung den DXP(Data Exchange Proxy)-Service entwickelt. Er ermöglicht die automatisierte Übermittlung von strukturierten Daten.
Bisherige Errungenschaften in der Digitalisierung werden in «EcoHub» eingebracht
Die bisherigen Errungenschaften in der Digitalisierung des Versicherungsbrokergeschäft werden in die neue Onlineplattform «EcoHub» eingebracht. Dies zumal auch darum, weil die Standardisierung mittels des DXP(Data Exchange Proxy)-Service die optimale Grundlage für die künftige digitale Abwicklung von Prozessen mit Kunden und Partnern ist, sei es über XML(eXtensible Markup Language)-Schnittstellen, andere Programmierschnittstellen (API’s) oder Blockchain. Wie es aufgrund der bereits erreichten Nutzung aussieht, hat es der DXP(Data Exchange Proxy)-Service zum Branchenstandard im Versicherungsbrokergeschäft geschafft.
Es braucht eine offene Brokersoftware
Wer sich als Versicherungsbroker im Sommer 2020 reibungslos an die neue Onlineplattform «Eco Hub» anschliessen will, braucht eine offene Softwarelösung, die eine Anbindung an externe Systeme und Plattformen nahtlos möglich macht. Die Brokersoftware «winVS next» ist eine solche Lösung. Sie ermöglicht es bereits heute problemlos, den DXP(Digital Exchange Proxy)-Service der IG B2B zu nutzen. Sie wird auch die reibungslose Anbindung an «EcoHub» sicherstellen.
Eine gute Nachricht: Versicherungsbroker, die sich gezielt mit der Digitalisierung auseinandersetzen und entsprechend handeln, stärken ihre Marktstellung. Und: Auch im digitalen Markt beruht die Beratung auf der persönlichen Kommunikation. Diese muss dem Kunden allerdings mittels personifizierter Angebote spürbaren Mehrwert bringen.
Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten
Die Musikindustrie zum Beispiel, aber auch die Medien und sogar die Banken haben einen guten Teil der Digitalisierung ihres Geschäfts bereits über die Runden gebracht – und sich entsprechend angepasst. Laut einem übereinstimmenden Befund hinkt die Versicherungswirtschaft den bereits stark digitalisierten Branchen nach wie vor etwas hinterher. Doch die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Alle Akteure auf der Anbieterseite und damit auch die Versicherungsbroker müssen entsprechend handeln.
Was bedeutet Digitalisierung beim Versicherungsbroker?
Beim Versicherungsbroker bedeutet die Digitalisierung zuallererst, die Prozesse und Arbeitsschritte im Backoffice und im Verkehr mit den Kunden soweit wie möglich zu automatisieren. Dazu zählt auch, den Routineverkehr mit den Kunden über eine Plattform sowie geeignete Smartphoneapplikationen virtuell abzuwickeln. Die weitgehende Digitalisierung des Geschäfts erlaubt sodann, eine Vielzahl von Daten zu erfassen und gezielt auszuwerten. Das ermöglich es, den Kunden personalisierte Empfehlungen zu machen. All das lässt sich mit einer geeigneten Versicherungsbrokersoftware, die laufend fortentwickelt wird, sowie offenen «InsuTech»(InsuranceTechnology)-Applikationen umsetzen.
Bedürfnisse der Kunden decken
Die rasch fortschreitende Digitalisierung des Versicherungsbrokergeschäfts bedingt, auf die mit der Digitalisierung einhergehende Veränderung der Kundenbedürfnisse einzugehen. Dazu zählt beispielsweise, alle Standarddienstleistungen digital anzubieten und einfach und schnell auszuführen. Überdies ist das gesamte Angebot so anzupassen, dass es den Gepflogenheiten der wachsenden Kundengruppe der «Digital Natives» voll entspricht. Die wollen keinen Papierkrieg mehr!
Persönliche Beratung bleibt ein Muss
Auch wenn ein Versicherungsbroker im Bereich der Digitalisierung alle Hausaufgaben gemacht hat, bleibt mehr denn je eine wichtige «ausserdigitale» Aufgabe: Den Kunden persönlich so beraten, dass für ihn möglichst viel Mehrwert entsteht. Das gelingt jetzt viel besser als in der Zeit vor der Digitalisierung. Denn – erstens – hat jeder Berater mehr Zeit für die effektive Beratung, weil ja alle Standardprozesse automatisiert sind. Und – zweitens – erlaubt die Auswertung der vielen digital erfassten Daten, jedem Kunden zu seinem persönlich wirklich optimalen Versicherungsportfolio zu verhelfen.
Ob Kundenzufriedenheit, Kostenersparnis oder neue Vertriebsimpulse: Viele Versicherungsbroker erhoffen sich durch die Einführung oder Optimierung von Kundenportalen Vorteile. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die meisten Vorhaben darin jedoch scheitern. Die internationale Business- und IT-Beratung Q_PERIOR mit Standorten in acht Ländern, darunter Bern und Zürich in der Schweiz, zeigt den Versicherungsbrokern fünf kritische Erfolgsfaktoren auf, die über Top oder Flop ihres Kundenportals entscheiden.
1. Konkrete Zielsetzung
Der Frage „Was wollen wir mit einem Kundenportal erreichen?“ bleiben viele Kundenportalprojekte von Versicherungsbrokern eine Antwort schuldig. Begründet wird die Umsetzung vielmehr mit einer Art Selbstzweck, etwa der Angst, den Anschluss in der Digitalisierung zu verlieren. Ohne Ziele, kein messbarer Erfolg: Eine qualitativ hochwertige Vorstudie, die die Ziele festlegt, ist daher unabdingbar.
2. Fachlicher und methodischer Rahmen
Fachseitig sollten relevante Zieldimensionen wie Kundenzufriedenheit oder Ertragssteigerungen sowie ein realistischer Business Case mit messbaren Erfolgskenngrössen festgelegt werden. Mit Hilfe der Erfolgskenngrössen lassen sich alle Entscheidungen bei der Entwicklung des Kundenportals kritisch bewerten, sodass der Kundennutzen und die Interessen des Unternehmens im Laufe des Projekts stets die notwendige Aufmerksamkeit haben. Bei der Festlegung eines methodischen Rahmens sind grundlegende Prinzipien des Anforderungs- und Prozessmanagements zu beachten. Dazu zählt etwa der Grundsatz, zuerst den Prozess und danach die informationstechnologische Unterstützung zu definieren. Auch ein festgelegter Softwareentwicklungsprozess sowie das Erkennen und das Implementieren der notwendigen Veränderungen sind wesentlich für den Erfolg jedes Kundenportalvorhabens.
3. Kundenmehrwert
Ist das fachliche und methodische Fundament gelegt, steht und fällt jedes Kundenportalprojekt mit der Nutzung der angebotenen Services durch den Kunden. Da im Self-Service-Portal manuelle Tätigkeiten vom Versicherungsbroker in Richtung Kunde verlagert werden, muss für den Kunden ein spürbarer Mehrwert bestehen. Von der zentralen Bündelung und Ablage aller relevanten Informationen, über exklusive Onlineangebote bis hin zu kurzfristigen On-Demand-Produkten wie etwa Tagesskiversicherungen: Es gibt zahlreiche Optionen, Anreize zu schaffen.
4. Interaktionsfrequenz
Um die Ziele im Bereich der Kostenreduktion zu erreichen, müssen angebotene Services in einer gewissen Frequenz von Kunden genutzt werden. Es empfiehlt sich daher, die Häufigkeit der Nutzung – gemessen oder geschätzt – in einem Ranking gegenüberzustellen. So lässt sich eine Entscheidung treffen, welche Kundeninteraktionen im Portal forciert und welche eher über eine qualifizierte Beratung durch die Aussendienstorganisation abgedeckt werden sollten.
5. Produkt- und Prozessintegration
Grundsätzlich sollten Versicherungsbroker Produkte mit geringen Kaufhürden im Kundenportal anbieten. Wichtig ist dabei, dass die Produkte in den Serviceprozess integriert sind, um umfangreiche Dateneingaben durch den Kunden zu vermeiden. Zudem sollten die angebotenen Produkte unbedingt inhaltlich sowie zeitlich relevant sein. Erfasst ein Kunde etwa den Kilometerstand seines Fahrzeugs online, wird er Angebote rund um das Auto als nachvollziehbar empfinden. Offerten für eine Tierhaftpflicht würden ihn hingegen eher abschrecken.
„Über alle Erfolgsfaktoren hinweg ist es entscheidend, bei der Umsetzung die Perspektive der Kunden einzunehmen“, erklärt Alexander Horn, Principal Consultant bei Q_PERIOR (Bild) abschliessend. „Nur so gelingt es Versicherungsbrokern mit ihren Portalen ein relevantes Angebot zu bieten und sich im digitalen Wettbewerb erfolgreich zu positionieren.“
Was ist Aon weltweit und in der Schweiz?
Paul Berchtold: Aon ist der führende globale Dienstleister für Risikomanagement sowie Versicherungs- und Rückversicherungsmakler und Berater für Human Resources. Weltweit arbeiten für Aon mehr als 50’000 Mitarbeitende in über 120 Ländern. Aon Schweiz AG erbringt umfassende Expertendienstleistungen und Beratung in den Bereichen Risikomanagement, Broking, Rückversicherungsbrokerage, berufliche Vorsorge und Investment. Rund 350 Mitarbeiter sind in den Büros in Basel, Freiburg, Lugano, Neuenburg, Nyon, Zug, Rapperswil und Zürich für das Unternehmen tätig. Die Zentrale der Schweiz ist in Zürich.
Wie beurteilen Sie die BrokerInitiative der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers, welche die Kernprozesse im Schweizer Versicherungsmarkt bis 2020 flächendeckend digitalisieren und vereinheitlichen will?
Paul Berchtold: Die Brokerinitiative ist ein wichtiger Schritt für die Automatisierung des Versicherungsgeschäfts und bildet die Grundlage für einen strukturierten Datenaustausch. Bei der Brokerinitiative handelt es sich um ein «Alignement und Commitment» zwischen Brokern, Versicherern und Brokersoftwarehersteller mit dem Ziel, strukturierte Daten effizient verarbeiten zu können. Für uns ist dies allerdings lediglich eine erste Etappe, bei welcher versucht wird, den digitalen Wandel in der Brokerlandschaft zu beschleunigen und die Grundlagen dafür zu schaffen. In die gleiche Richtung stösst auch die am «InnovationBoard2019» angekündigte neue strategische Ausrichtung der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers: Vermehrt allgemein zugängliche Services von Entwicklern fördern und zertifizieren, welche die Standards für alle Kernprozesse im Brokermarkt unterstützen. Damit soll die Umsetzung dieser Standards vereinfacht und beschleunigt werden.
Gibt es auch Schattenseiten?
Paul Berchtold: Was wir etwas vermissen, ist eine genügende Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Standards seitens der Softwarehersteller. Hier würden wir uns mehr «Speed» wünschen.
Was unternimmt Aon im Rahmen der digitalen Herausforderungen?
Paul Berchtold: Wir befassen uns stark mit dem Thema Digitalisierung. Bevor wir uns jedoch der Digitalisierung zuwenden können, muss ein möglichst hoher Automatisierungsgrad erreicht werden. Dies hat für uns derzeit Priorität. Wir sind überzeugt, dass ein möglichst hoher Automatisierungsgrad, kombiniert mit neuen Technologien wie beispielswiese «AIl Solutions» oder «Deep Learning», interessante und gewinnversprechende zukünftige Geschäftsfelder zu entwickeln vermag. Die aktuellen «Business-to-Business (B2B)»-Austauschmöglichkeiten in der Schweiz sind indessen noch sehr beschränkt. Bei den derzeit bestehenden Lösungen kann man noch kaum von digitalisierten Lösungen sprechen. Eine der Hürden, die es zu meisten gilt, ist die Entwicklung eines einheitlichen Versicherungsstandards, wie die jeweiligen Daten zu liefern sind. Derzeit sind die Transaktionskosten zwischen dem Versicherer und dem Broker zu hoch, da weiterhin zu viele Doppelspurigkeiten bestehen und kein einheitlicher digitaler Datenaustausch schweizweit etabliert ist. Mit der neuen Strategie der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers mit freiem Zugang von Entwicklern erhoffen wir uns, die notwendige Beschleunigung der Implementierung von Lösungen zu erreichen.
Was genau erwarten Sie von den Versicherungsbrokersoftwareherstellern zur bestmöglichen Unterstützung der Digitalisierung des Brokergeschäfts?
Paul Berchtold: Im Vordergrund steht ganz klar die Erwartung, dass mit den notwendigen Entwicklungen schneller vorangeschritten wird. Verglichen mit Softwareunternehmen mit denen Aon im Ausland zusammenarbeitet, ist die Geschwindigkeit der Implementation der erforderlichen Neuerungen in der Schweiz sehr bescheiden. Hier besteht definitiv Handlungsbedarf. Überdies ist es wichtig, dass wir die Kernprozesse der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers schneller integrieren. Seitens der Versicherer wurden viele Anstrengungen unternommen, die Daten strukturiert zu liefern. Jetzt wird es nötig, dass die Broker diese strukturierten Daten nun auch in ihren Systemen voll nutzen können. Dadurch wird die Automatisierung der Prozesse beschleunigt.
Was hat die laufende Digitalisierung des Versicherungsbrokergeschäfts bei Aon für die Mitarbeitenden und die Kunden für Auswirkungen?
Paul Berchtold: Derzeit sind wir in einer Übergangsphase, die oft eine Doppelbelastung für Mitarbeitende darstellt und viel Flexibilität abverlangt. Wir sind froh, dass wir Mitarbeitende haben, die an die Vorteile der Digitalisierung glauben und auch bereit sind, die Extrameile zu gehen. In diesem Sinne gilt auch ein Dank an alle Mitarbeitende, die uns jeden Tag bei der Umstellung in die automatisierte und letztlich voll digitalisierte Welt unterstützen. Aufgrund der Rückmeldungen der Mitarbeitenden stellen wir fest: Durch die Optimierung der Abläufe wird Zeit geschaffen, die eine bessere Qualität der Kundenbetreuung ermöglicht.
Zum Schluss: Wie sehen Sie die Zukunft des Versicherungsbrokergeschäfts in der Schweiz?
Paul Berchtold: Aufgrund des stetig steigenden Margendrucks, der komplexeren regulatorischen Anforderungen sowie der rasch zunehmenden Digitalisierung werden die Versicherungsbroker in der Schweiz noch vermehrt unter Druck geraten. Es ist voraussehbar, dass das klassische Brokergeschäft für weniger komplexe Versicherungsgeschäfte vermehrt durch Online-Vergleichs- und Platzierungsmöglichkeiten verdrängt wird. Kommt dazu, dass die Kosten für die Automatisierung und die Erfüllung der strengeren Regulierungsvorgaben nach wie vor steigen und etliche Broker über ihre Nachfolge nachdenken. Demzufolge wird die Geschwindigkeit der Konsolidierung im Schweizer Brokermarkt zunehmen: Es wird immer mehr Partnerschaften, Zusammenschlüsse und auch Geschäftsschliessungen geben.
In der Schweiz öffnet sich eine Schere zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen. Dabei setzen die Top-Performer deutlich stärker auf die Digitalisierung als Unternehmen mit schlechter Geschäftslage und negativen Geschäftsaussichten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Beratungsunternehmens Ernst & Young bei 700 Schweizer Unternehmen.
Digitalisierung im Vormarsch
Gemäss der Ernst & Young-Studie hat sich die Bedeutung von digitalen Technologien im Vergleich zum Vorjahr stark erhöht. Weit über die Hälfte der befragten Unternehmen setzt bereits auf digitale Technologien: 60 Prozent messen diesen eine mittlere bis grosse Bedeutung zu - im Vorjahr lag der Anteil noch bei 45 Prozent. Allerdings setzen gutgehende Unternehmen deutlich stärker auf die Digitalisierung als solche mit schlechter Geschäftslage und negativen Geschäftsaussichten: Für 62 Prozent der Erfolgreichen spielt sie eine sehr grosse oder eine mittelgrosse Rolle. Bei den weniger erfolgreichen Unternehmen sagen dagegen nur 30 Prozent, dass digitale Technologien für ihr Geschäftsmodell elementar sind.
«Viele werden den Anschluss verlieren»
Über zwei Drittel der Befragten sehen keine grundsätzlichen Hindernisse, um in digitale Technologien zu investieren. 15 Prozent, mehr als doppelt so viele wie im letzten Jahr, haben allerdings zu wenig Geld, neun Prozent fehlt es an qualifizierten Mitarbeitenden und acht Prozent haben zu wenig Know-how. «Viele mittelständische Unternehmen stehen am Scheideweg», lautet der Befund von Marcel Stalder, CEO von Ernst & Young Schweiz: «Ein Teil der Unternehmen passt sich flexibel an die neuen Entwicklungen an. Diese schaffen es, durch innovative Produkte und Dienstleistungen ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Andere werden jedoch den Anschluss verlieren: Sie investieren nicht genug in die Umstellung auf digitale Technologien, suchen zu wenig spezifisch nach geeigneten Mitarbeitenden oder vernachlässigen die Kulturentwicklung.
Digitale Zweiklassengesellschaft in Sicht
Es droht der Schweizerwirtschaft mithin eine digitale Zweiklassengesellschaft. Dies, obwohl die meisten Unternehmen wissen, dass sie sich der Digitalisierung stellen müssen: Der Anteil der Unternehmen, die diesem Megatrend offen gegenübersteht, ist auf 83 Prozent gestiegen. Nur noch 17 Prozent (im Vorjahr 36 Prozent) geben an, dass die Bedeutung digitaler Technologien für ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren nicht steigen wird. Die Digitalisierung im täglichen Geschäft umzusetzen, ist aber für viele Unternehmen noch schwierig. Für Martin Ceccon, Ernst & Young Digital Strategy Leader Schweiz, steht fest: «Viele Unternehmen werden gravierende Umwälzungen erleben. Sie brauchen eine agile Strategie für die Digitalisierung, innovative Produkte, Serviceleistungen und neue Geschäftsmodelle. Sofern die Führung die Digitalisierung als Chance begreift und fördert, ergeben sich neue spannende Wachstumsmöglichkeiten. Wer zu lange an einem veralteten Geschäftsmodell festhält, wird dagegen zu den Verlierern gehören.»
Kleinere Unternehmen sollen für Digitalisierung offen sein
Martin Ceccon ruft namentlich auch die kleineren Unternehmen auf, offen für die Digitalisierung zu sein. Sie sollen sich neue Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen und in entsprechende Technologien investieren, denn sonst droht eine gefährliche Abwärtsspirale. «Auch kleinere Betriebe können die Angebotskette optimieren, Kundenbeziehungen intensivieren und Produkte individualisieren. Sie werden so flexibler und sparen Geld, Zeit und Ressourcen.»
Was wird digitalisiert?
Laut der Studie werden derzeit vor allem Kundenbeziehungen digital organisiert: 69 Prozent der Unternehmen nutzen dafür digitale Technologien. Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets werden inzwischen von 54 Prozent der Unternehmen eingesetzt, sei es für die Arbeit ihrer Mitarbeitenden oder den Vertrieb der Produkte. Bereits mehr als die Hälfte der Unternehmen verkauft zudem Produkte online, der Anteil stieg von 44 auf 52 Prozent.